Wir sind Palliativ -
Disziplinäre Perspektiven und interprofessionelle Zusammenarbeit im Gespräch

Online-Veranstaltungsreihe des Netzwerkes „Praxis Trifft Hochschule“

Mit geladenen Gästen wurden Gespräche geführt, in denen auf unterschiedliche Weise Themen des Lebens mit Sterben und Tod verbunden wurden. Wir, das sind verschiedene Professionen, die in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, sozialen Arbeit, Architektur und Design zusammenarbeiten. Wir sind Palliativ.

1. Gesprächsabend 12.10.22 - Lebens:Themen

Therapeutische Blickwinkel in der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP)

Gäste: Vertreter*innen verschiedener Therapieberufe 

Moderation: Eva Regelmann 

Mit diesem Gesprächsabend wurde die online-Gesprächsreihe, welche unter dem Schwerpunkt der disziplinären Perspektiven und interprofessionellen Zusammenarbeit im Rahmen der Palliativversorgung stattfand, eröffnet. Zu dieser Gesprächsreihe waren über sechs Termine hinweg verschiedenste Gäste geladen, welche in den Austausch mit den Mitgliedern des „Praxis trifft Hochschule“-Projekts sowie externen Teilnehmenden getreten sind. 

 

In der palliativen Versorgung treffen verschiedenste Professionen aufeinander, deren Unterstützungsgebiete sich überschneiden oder gegenseitig ergänzen können. Das macht die interdisziplinäre Zusammenarbeit und den gemeinsamen Austausch darüber umso wichtiger. 

Der erste Gesprächsabend fand unter dem Thema „Lebens:Themen“ statt. Eva Regelmann moderierte dabei den Dialog zwischen den folgenden geladenen Gästen: Frau Schicht (Musiktherapeutin und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP)), Anna Pape (Ergotherapeutin und Mitglied der DGP), Kirsten Hartmann (Physiotherapeutin und Mitglied der DGP) und Katja Emmrich (Logopädin). Zentral standen hier die Lebensthemen von Menschen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen, welche aus der Perspektive der verschiedenen Therapieberufe beleuchtet wurden. In diesem Rahmen wurde sich unter anderem über die Themen Selbstbestimmung, Biographiearbeit, Klient*innenzentrierung und Mobilität bis zum Lebensende ausgetauscht.  

Des Weiteren gab es einen Einblick in das sogenannte „Curriculum Palliativ Care für therapeutische Berufsgruppen“, welches in Form von verschiedenen Modulen das Basiswissen in der Palliativversorgung modifizieren und so eine qualifizierte multiprofessionelle Versorgung gewährleisten soll. 

2. Gesprächsabend 09.11.22 - Lebens:Räume

Umgebung gestalten 

Gäste:  Thomas Naumann (Architekt, VinzenzSozialprojekte GmbH), Nadine Marschollek (Bachelor in Innenarchitektur und Farbdesign)

Moderation: Prof. Dr. Ulrike Marotzki 

Der zweite Gesprächsabend trug den Titel „Lebens:Räume“. Wie dieser bereits vermuten lässt, ging es an diesem Abend um die Bedeutung und Funktionen von Räumen, sowohl öffentliche, gemeinschaftlich genutzte oder auch private. Im Mittelpunkt standen hier die Gestaltung dieser Räume sowie Möglichkeiten des eigenen Mitwirkens und welche Entfaltungs- und Handlungsmöglichkeiten sich daraus ergeben können.  

 

Ulrike Marotzki moderierte den Austausch zwischen Thomas Naumann, Architekt der VinzenzSozialprojekt GmbH, welche aktuell einen Hospiz-Bau in Hildesheim durchführt und Nadine Marschollek, welche ihre Bachelorarbeit im Rahmen ihres Architektur und Farbdesign-Studiums zu dem Thema Hospizarchitektur verfasste.  

Zunächst wurde das Thema des physikalischen Raumes und des erlebten Raumes vorstellt, wobei hervorgehoben wurde, dass Menschen nicht ausschließlich auf ihren Körper begrenzt sind, sondern in ihrer Umgebung leben und diese dadurch auch erleben.  

Nadine Maschollek ging daraufhin darauf ein, dass Räume verschiedene Emotionen auslösen können, welche sowohl angenehm als auch unangenehm sein können. Dementsprechend ist die Qualität von Räumen ein wichtiger Faktor in der Gesundheit und des Wohlbefindens. Sie stellte dem Plenum ein gesundheitsförderndes Raumkonzept für ein Kinderhospiz vor und appellierte, das Potential und die Verantwortung von Architektur zu erkennen und zu nutzen. 

Thomas Naumann berichtete von der Planung und den Herausforderungen des Hospiz-Baus am Gut Steuerwald in Hildesheim, welches mittlerweile seinen ersten Spatenstich erlebte.  

Weitere Themen, welche an dem Abend besprochen wurden, waren die Barrierefreiheit und individuelle, selbstbestimmte Gestaltungsmöglichkeiten für Hospizbewohner*innen. 

3. Gesprächsabend 14.12.22 - Lebens:Mittel

Würdevoll essen und trinken

Gäste: Cordula Winterholler (Expertin für Palliative Logopädie), Markus Biedermann (Küchenchef & Gerontologe), biozoon food Innovations GmbH  

Moderation: Prof. Dr. Hendrike Frieg 

Am dritten Gesprächsabend stand das Thema „Lebens:Mittel“ im Zentrum. Dabei wurde über die Rolle von Essen und Trinken sowie die Bedeutung und der Zusammenhang zur Lebensqualität gesprochen und wie diese möglichst lang erhalten oder sogar ausgebaut werden kann. 

 

Hendrike Frieg moderierte die Beiträge von Cordula Winterholler, einer Expertin für palliative Logopädie, Markus Biedermann, ein Küchenchef und Gerontologe und Matthias Guck, Geschäftsführer der Biozoon Food Innovations GmbH, welche seit 2001 in der Produktion und dem Vertrieb von sogenanntem „Smoothfood“ tätig ist.  

Während des Austauschs stand die Personalisierung und das Essen in Würde im Mittelpunkt. Über die Nahrung können Beziehungsangebote hergestellt werden, der Geschmack und die Präsentation der Lebensmittel kann die Lebensqualität beeinflussen. Für eine individualisierte Essenzubereitung fehlt in vielen Einrichtungen und Stationen auf verschiedenen Ebenen die Struktur, ob es ein geschlossener Kochbereich oder rechtliche Restriktionen sind.  

Markus Biedermann und Matthias Guck stellten dem Plenum in diesem Rahmen das Smoothfood vor, welches püriertes Essen darstellt, das in die Form des eigentlichen Gerichtes gebracht wird. Dadurch soll allen Bewohner*innen ermöglicht werde, Nahrung zu sich zu nehmen die zum einen geschmacklich, aber auch visuell überzeugt und das Essen so zu einem zufriedenstellenden Erlebnis macht.  

Mit dem Plenum wurde sich über verschiedenste Themen ausgetauscht, von Workshops welche von den Gästen angeboten werden bis hin zu Smoothfood in privaten Haushalten und die Zusammenarbeit mit der Politik.  

4. Gesprächsabend 11.01.22 - Lebens:Alter

Sterben und Tod als Querschnittaufgabe der Sozialen Arbeit 

Gäste: Prof. Dr. Verena Begemann, HS Hannover 

Moderation: Prof. Dr. Sabine Mertel 

Unter dem Titel "Lebens:Alter" wurde am dritten Gesprächsabend ein Einblick in die palliative Arbeit im Bereich der Sozialen Arbeit gegeben. Sterben und Tod wurden hier als Querschnittsaufgabe dieser genauer betrachtet.  

 

Sabine Mertel leitete durch den Abend und moderierte den Austausch zwischen der referierenden Prof. Dr. Verena Bergmann und den Teilnehmenden des Gesprächsabends. Verena Bergmann hat eine Professur an der Hochschule Hannover und neben 22 Jahren Berufserfahrung im Bereich der palliativen Versorgung und Sozialer Arbeit einen Master in Theologie.  

Neben einem breit aufgestellten Überblick über Einsatzorte, den sozialrechtlichen Rahmen und die grundlegende Haltung, stellte Verena Bergmann besondere Kernaufgaben und Schwerpunkte der Sozialen Arbeit vor. Neben der Beratung und Begleitung von sterbenden Personen ist es essentiell die Angehörigen in der „Unit of Care“ nicht zu vergessen und ebenfalls mit zu begleiten. Auch Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit sind wichtige Aufgaben, die es zu berücksichtigen gilt. So müssen interne und externe Netzwerke, interprofessionelle Teams und ehrenamtlich Mitarbeitende koordiniert werden. Das Thema Sterben und Tod und auch die Auseinandersetzung mit dem älter werden findet in unserer Gesellschaft nur vereinzelt statt, was umfangreiches Informieren und Öffentlichkeitsarbeit unabkömmlich macht.  

5. Gesprächsabend 08.02.22 - Lebens:Freude

Kinder und Jugendliche begleiten

Gäste: Elisabeth Böning (Fachkinderkrankenschwester für pädiatrische Anästhesie und Intensivpflege und pädiatrische Palliative Care, Kinderpalliativzentrum Universitätsmedizin Göttingen), Dr. med. Georg Bollig (Leitender Oberarzt Palliativmedizin Helios Klinikum Schleswig, Leiter der internationalen Arbeitsgruppe zur Letzten Hilfe, Letzte Hilfe Deutschland gGmbH)

Moderation: Maria Barthel

Freude und Sterben scheinen im ersten Augenblick wenig Berührungspunkte zu haben. Dennoch oder gerade deshalb wurde sich am vierten Abend „Lebens:Freude“ mit dem besonderen Thema der Kinder in der Palliativ Versorgung beschäftigt.  

 

Maria Barthel moderierte das Gespräch zwischen den Teilnehmenden, Dr. med. Georg Bolling (Leitender Oberarzt Palliativmedizin Helios Klinikum Schleswig, Leiter der Internationalen Arbeitsgruppe Letzte Hilfe) und Elisabeth Böning (Fachkinderkrankenschwester für pädiatrische Anästhesie und Intensivpflege, pädiatrische Palliative Care, Kinderpalliativzentrum Universitätsmedizin Göttingen).  

Kinder tauchen in der Palliativversorgung, ebenso wie Erwachsene, sowohl als Betroffene als auch als Angehörige auf. In jedem Fall ist die Begegnung mit ihnen anders als mit Erwachsenen. Kinder und Jugendlich begegnen dem Thema Sterben und Tod unverkrampft und häufig eher neugierig. Meistens sind es Erwachsene, die das Thema scheuen und Kinder davor schützen wollen. Da Menschen jeden Alters dem Thema begegnen können, ist es wichtig auch mit Kindern über dieses zu sprechen. Dies muss nicht kompliziert und komplex sein, wichtig ist es sich Zeit für die Reaktionen und Fragen des Kindes zu nehmen und ihnen ehrlich zu begegnen. Eine Möglichkeit, um ins Gespräch zu kommen bietet hier der „Letzte-Hilfe“-Kurs, der gemeinsam mit und für Kinder entwickelt wurde.  

Betroffene Kinder haben häufig wenig Angst vor dem Sterben, sondern trauern um die verlorene Lebenszeit. Vor allem hier geht es dann darum, für alle Beteiligten ganz bewusst Lebensfreude, trotz Traurigkeit zur schaffen. Relevante Betätigungen oder Ziele herauszufinden und letzte Wünsche zu ermöglichen hat hier eine wichtige Bedeutung. In dem Prozess des Abschied Nehmens wird jedem Gefühl Platz gegeben und trotzdem schöne Momente kreiert.   

6. Gesprächsabend 08.03.22 - Lebens:Partner

Interdisziplinären Behandlung und Finanzierung in sektoralen Versorgungsgrenzen


Gäste: Christin Degering (Referentin des Unternehmensbereichs Pflege der AOK Niedersachsen) und Dr. med. Maximillian Knöner (Klinik für Gastroenterologie, Onkologie und Palliativmedizin am Helios Klinikum Hildesheim)

Moderation: Dr. Hans-Thomas Hildebrand

Am sechsten Abend mit dem Titel “Lebens:Partner” wurde sich genauer mit der administrativen Seite der Palliativversorgung beschäftigt. Sowohl die Regelung von gesetzlichen Abläufen und Finanzierungsmöglichkeiten, als auch die Koordination innerhalb eines Klinikums wurden genauer besprochen.  

 

Hans-Thomas Hildebrand moderierte den Abend und leitete durch das Gespräch mit Christin Degering (Referentin des Unternehmensbereichs Pflege der AOK Niedersachsen) und Dr. med. Maximillian Knöner (Klinik für Gastroenterologie, Onkologie und Palliativmedizin am Helios Klinikum Hildesheim).  

Christin Degering berichtete von den Möglichkeiten der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und die Finanzierung bzw. finanzielle Förderung durch Bezuschussung der notwendigen Personal- und Sachkosten. Weiter gab sie einen Überblick über vergleichbare Möglichkeiten im stationären Hospiz, sollte eine ambulante Betreuung nicht möglich sein.  

Maximilian Knöner stellte anschließend die praktische Organisation stationärer Palliativversorgung anhand der Palliativstation des Helios Klinikums in Hildesheim vor. Die baulich getrennte und viele Möglichkeiten bietende Station ist an die Räumlichkeiten der Klinik angegliedert, was eine personelle Vermischung ermöglicht und keine Abgrenzung signalisiert. Für jede*n Patient*in wird ein individuelles Therapieprogramm mit dem multiprofessionellen Team zusammengestellt. Die Kommunikation in diesem Team hat einen besonderen Stellenwert. Maximilian Knöner berichtete weiter von einem steigenden Bedarf von außer- und innerhalb, bei gleichzeitig mangelndem Verständnis von und für Palliativstationen (Stigma von Sterbestationen) und Fachkräftemangel.